“Morgens und abends trippeln wir auf dem engen Raum hintereinanderher. Er folgt mir bis auf die Toilette und setzt das Gespräch in der Türöffnung stehend fort oder fängt schon mal an, sich vor dem Badezimmerspiegel zu rasieren, während ich noch auf dem Klo sitze und dort auf seine Bitte hin sitzen bleibe, bis er fertig ist, weil er das gemütlich findet und wir immer über so viele Dinge zu reden haben. (Seite 35)”
“Es ist ein Hin- und Hergerissensein zwischen Verheimlichung und Offenherzigkeit, zwischen dem Wunsch, die Wahrheit zu sagen, und dem Unvermögen, es auch in den intimsten Situationen zu tun; es ist die Erkenntnis, dass das Wesen der Liebe Wissen ist und das Ringen mit der Angst, mit der so großen Angst, sich eine Blöße zu geben. Wer schreibt, greift mit dem Stift nach der Macht, weil die Ohnmacht so unerträglich groß ist. Wer schreibt, hört für eine Weile auf, sich selbst Gewalt anzutun, zu leugnen, zu lügen, zu verschleiern und sich zu verstellen, hört mit all dem auf, wozu er sich gezwungen sieht, sobald die Angst zuschlägt was ein anderer mit ihm machen könnte. (Seite 38 / 39)”
“Ich gehe rüber zur Tauentzienstraße, ein Pappschild unter dem Arm, das ich am Europacenter anschlage wie einst Luther seine Thesen in Wittenberg. Dort stehe ich, und kann nicht anders. Ein paar Leute bleiben stehen und sehen sich an, was das auf dem Pappschild steht. "Das Romanische Café" steht da, "ist die Stätte der höchsten intellektuellen Verfeinerung und der tiefsten sozialen Ignoranz; die Stätte anekdotische Selbstbefriedigung, wo Aphorismen aufeinander Jagd machen, kopulieren und kleine Witze in die Welt setzen. Das Romanische Café ist die Stätte, wo jedes normale Wort in den Verdacht gerät, dem Unterbewusstsein einer Amöbe entsprungen zu sein; die Stätte, wo Friedrich Gundelfinger den Finger verlor und daher nicht auf den jungen Journalisten namens Joseph Goebbels deuten konnte, der mit bösem Lächeln und einem kleinen Notizblock auf den Knien zu Füßen des zelebrierten und entfingerten Gundolf saß. Das Romanische Café ist die Stätte, wo Pegasus mit Aperçus gefüttert wurde, bis er nicht mehr krauchen konnte…"Ein Herr mit Pfeife bleibt eine Weile vor dem Pappschild stehen."Das mit Goebbels ist mir neu". Sagt er und bläst mir Pfeifenrauch ins Gesicht.”
“Ein Junge und ein Mädchen liegen auf dem Boden, vor sich die Dachschräge. Sie konzentriert sich auf den Jungen, der aus dieser Entfernung so aussieht, als wäre er in ihrem Alter. Und selbst aus dieser Entfernung kann sie erkennen, dass das Buch, aus dem er ihr vorliest, "Das Buch der Begebenheiten" ist.Der Junge schläft ein, und das Mädchen legt den Kopf auf seine Brust. Brod will mehr hören - sie will schreien: LIES MIR WEITER VOR! ICH MUSS ES WISSEN! -, aber sie können sie von dort, wo sie ist, nicht hören, und von dort, wo sie ist, kann sie die Seite nicht umblättern. Die Seite - Brods papierdünne Zukunft - ist, von dort, wo Brod ist, unendlich schwer.”
“Das Gewissen ist ein Spiegel, vor dem ein Affe sich quält; jeder putzt sich, wie er kann, und geht auf seine eigne Art auf seinen Spaß dabei aus.”
“Der Mensch hängt an dem Seinen, an sich selbst und dem Seinen, bis über den Tod hinaus und bangt davor, das Leben aus den Händen zu verlieren - dies Wirklichste von allem Wirklichen, dies Erbärmlichste von allem Erbärmlichen, dies Unendlichste von allem Unendlichen; bangt vor der Einsamkeit, auf der sein selbst beruht, die sein Selbst ist, bangt davor, ohne Mitmenschen ringsum zu sein - und vielleicht von Gott vergessen.”