“Es ist eine tödliche Spannung, die wie ein schartiges Messer unser Rückenmark entlang kratzt. Die Beine wollen nicht mehr, die Hände zittern, der Körper ist eine dünne Haut über mühsam unterdrücktem Wahnsinn, über einem gleich hemmungslos ausbrechenden Gebrüll ohne Ende.”
“Wir reden nicht viel, aber wir sind voll zarterer Rücksicht miteinander, als ich mir denke, dass Liebende es sein können. Wir sind zwei Menschen, zwei winzige Funken Leben, draußen ist die Nacht und der Kreis des Todes. Wir sitzen an ihrem Rande, gefährdet und geborgen...wir sind uns nahe mit unseren Herzen und die Stunde ist wie der Raum: Überflackert von einem sanftem Feuer gehen die Empfindungen hin und her...”
“Die Bücher habe ich nach und nach gekauft von dem Geld, das ich mir Stundengeben verdiente. Viele davon antiquarisch, alle Klassiker zum Beispiel, ein Band kostete eine Mark und zwanzig Pfennig in steifem, blauem Leinen. Ich habe sie vollständig gekauft, denn ich war gründlich, bei ausgewählten Werken traute ich den Herausgebern nicht, ob sie auch das Beste genommen hatten. Deshalb kaufte ich mir "Sämtliche Werke". Gelesen habe ich sie mit ehrlichem Eifer, aber die meisten sagten mir nicht recht zu. Um so mehr hielt ich von den anderen Büchern, den moderneren, die natürlich auch viel teurer waren. Einige davon habe ich nicht ganz ehrlich erworben, ich habe sie ausgeliehen und nicht zurückgegeben, weil ich mich von ihnen nicht trennen mochte.[…]Ich bin aufgeregt; aber ich möchte es nicht sein, denn das ist nicht richtig. Ich will wieder diese stille Hingerissenheit, das Gefühl dieses heftigen, unbenennbaren Dranges verspüren, wie früher, wenn ich vor meine Bücher trat. Der Wind der Wünsche, der aus den bunten Bücherrücken aufstieg, soll mich wieder erfassen, er soll den schweren, toten Bleiblock, der irgendwo in mir liegt, schmelzen und mir wieder die Ungeduld der Zukunft, die beschwingte Freude an der Welt der Gedanken wecken; – er soll mir das verlorene Bereitsein meiner Jugend zurückbringen.”
“Jetzt sehe ich erst, daß du ein Mensch bist wie ich. Ich habe gedacht an deine Handgranaten, an dein Bajonett und deine Waffen – jetzt sehe ich deine Frau und dein Gesicht und das Gemeinsame. Vergib mir, Kamerad! Wir sehen es immer zu spät. Warum sagt man uns nicht immer wieder, daß ihr ebenso arme Hunde seid wie wir, daß eure Mütter sich ebenso ängstigen wie unsere und daß wir die gleiche Furcht vor dem Tode haben und das gleiche Sterben und den gleichen Schmerz –. Vergib mir, Kamerad, wie konntest du mein Feind sein? Wenn wir diese Waffen und diese Uniform fortwerfen, könntest du ebenso mein Bruder sein wie Kat und Albert. Nimm zwanzig Jahre von mir, Kamerad, und stehe auf – nimm mehr, denn ich weiß nicht, was ich damit noch beginnen soll.”
“Wenn ich die Kunst als eine Lebensanschauung bezeichne, meine ich damit nichts Ersonnenes. Lebensanschauung will hier aufgefaßt sein in dem Sinne: Art zu sein. Also kein Sich-Beherrschen und – Beschränken um bestimmter Zwecke willen, sondern ein sorgloses Sich-Loslassen, im Vertrauen auf ein sicheres Ziel. Keine Vorsicht, sondern eine weise Blindheit, die ohne Furcht einem geliebten Führer folgt. Kein Erwerben eines stillen, langsam wachsenden Besitzes, sondern ein fortwährendes Vergeuden aller wandelbaren Werte. Man erkennt: diese Art zu sein hat etwas Naives und Unwillkürliches und ähnelt jener Zeit des Unbewußten an, deren bestes Merkmal ein freudiges Vertrauen ist: der Kindheit. Die Kindheit ist das Reich der großen Gerechtigkeit und der tiefen Liebe. Kein Ding ist wichtiger als ein anderes in den Händen des Kindes. Es spielt mit einer goldenen Brosche oder mit einer weißen Wiesenblume. Es wird in der Ermüdung beide gleich achtlos fallen lassen und vergessen, wie beide ihm gleich glänzend schienen in dem Lichte seiner Freude. Es hat nicht die Angst des Verlustes. Die Welt ist ihm noch die schöne Schale, darin nichts verloren geht. Und es empfindet als sein Eigentum Alles, was es einmal gesehen, gefühlt oder gehört hat. Alles, was ihm einmal begegnet ist. Er zwingt die Dinge nicht, sich anzusiedeln.”
“In dieser Traumwelt lebte er mehr als in der wirklichen Welt: Schulsaal, Klosterhof,… war nur Oberfläche, nur eine dünne Haut über der traumgefüllten, ünerwirklichen Bilderwelt. Ein nichts war genug, um in diese dünne Haut ein Loch zu stossen, und hinter der friedlichen dürren Wirklichkeit die tosenden Abgründe, Ströme und Milchstrassen jener Seelenbilderwelt zu entfachen.”
“Natürlich ist ein Selbst viel umfassender als der innere Erzähler. Die Insel des selbst-bewussten Geschichtenerzählers liegt mitten in einem Meer von Unbewusstem, über das wir nichts wissen, nie etwas wissen werden oder das wir vergessen haben. Es gibt vieles in uns, das wir nicht beherrschen oder wollen, aber das bedeutet nicht, dass es unwichtig wäre, eine Erzählung für uns selbst zu finden. In der Sprache bilden wir den Lauf der Zeit so ab, wie wir ihn empfinden – das Es war, es ist, es wird sein. Wir abstrahieren, denken und erzählen. Wir ordnen unsere Erinnerungen und verknüpfen sie miteinander und diese Bruchstücke bekommen einen Besitzer: das autobiographische Ich, das nicht ohne ein Du ist. Für wen erzählen wir denn schließlich? Auch allein in unseren Köpfen ist ein vorausgesetzter anderer dabei, die zweite Person unserer Rede.”