“Die Männer hatten die Bajonette aufgepflanzt. Sie standen in steinerner Unbeweglichkeit, das Gewehr in der Hand, am vorderen Hange des Hohlwegs und starrten in das Vorgelände. Ab und zu, beim Schein einer Leuchtkugel, sah ich Stahlhelm an Stahlhelm, Klinge an Klinge blinken und wurde von einem Gefühl der Unverletzbarkeit erfüllt. Wir konnten zermalmt, aber nicht besiegt werden.”
“Wir leben noch in der Nähe der Zeit, in der das Wesen der Dinge wie ein dunkler Brunnen in der Finsternis hervorsprudelt und wir alles erahnen können. Wir betreiben nur Wahrsagerei. Wir raten und wägen die Dinge mit ihren vielen Gesichtern ab, bis wir nichts mehr unterscheiden können. Und was ist mit jenen, die erst in weit entfernter Zukunft leben werden, in Epochen, die man sich nicht vorstellen kann? Sie werden Wahrsagerei betreiben. Sie werden noch unsicherer und noch mehr auf Wahrsagerei und Raterei angewiesen sein als wir. Wer aber weniger sicher ist, vergnügt sich damit, Sicherheit zu erfinden.”
“Hier kommt nun meine Theorie, warum die Menschen die Erde beherrschen und nicht die Pferde", fährt es fort."Gelangen Pferde nämlich zu einem Bewusstsein, kommt ihnen natürlich erst mal das große Kotzen über die Welt, und die Pferde sterben, weil sie kotzen müssen, es aber ja nicht können. Das ist der simple Grund, warum sie folglich niemals zu einem Bewusstsein ihrer selbst gelangen können, warum sie niemals denken werden und warum sie folglich niemals ihren rechtmäßigen Platz an der Spitze der Schöpfung einnehmen, sondern weiterhin nur als lebende Dekoration bei den Karl-May-Festspielen im Sauerland dienen werden. Auf ewig beherrscht von einer Abnormität der Natur, einer fatalen Mutation der Schimpansen-DNA, einem kranken Tier: dem Menschen.”
“Natürlich ist ein Selbst viel umfassender als der innere Erzähler. Die Insel des selbst-bewussten Geschichtenerzählers liegt mitten in einem Meer von Unbewusstem, über das wir nichts wissen, nie etwas wissen werden oder das wir vergessen haben. Es gibt vieles in uns, das wir nicht beherrschen oder wollen, aber das bedeutet nicht, dass es unwichtig wäre, eine Erzählung für uns selbst zu finden. In der Sprache bilden wir den Lauf der Zeit so ab, wie wir ihn empfinden – das Es war, es ist, es wird sein. Wir abstrahieren, denken und erzählen. Wir ordnen unsere Erinnerungen und verknüpfen sie miteinander und diese Bruchstücke bekommen einen Besitzer: das autobiographische Ich, das nicht ohne ein Du ist. Für wen erzählen wir denn schließlich? Auch allein in unseren Köpfen ist ein vorausgesetzter anderer dabei, die zweite Person unserer Rede.”
“Sie wissen schon was ich meine. Das intime Zusammensein zweier Menschen, die sich lieben, ist etwas Wunderschönes, keine Frage. Aber manchmal mache ich mir Sorgen, dass heutzutage die Sexualpartner austauschbar scheinen, dass es nur oft um den Wert einer momentanen Befriedigung geht, die am nächsten Morgen schon in ein schales Gefühl von der Enttäuschung, der Leere münden kann. Macht das auf Dauer zufrieden? Eine konstante Partnerschaft durch alle Höhen und Tiefen des Lebens hindurch stellt eine enorme Herausforderung dar. Wollen wir nicht alle auch dann noch lieben und geliebt werden, wenn wir krank, alt oder unansehnlich sind?”
“Nur noch vereinzelt schlugen mächtige Granaten ein, von denen eine gleich einem Gruß der Hölle vor uns zerschellte und das Kanalbett mit finsteren Qualm füllte. Die Mannschaft verstummte, wie von einer eisigen Faust im Nacken gepackt, und stolperte hastig über Stacheldraht und Steintrümmer hinter mir her. Ein unheimliches Gefühl beschleicht das beim Durchschreiten einer unbekannten Stellung zur Nachtzeit, auch wenn das Feuer nicht sonderlich stark ist; Auge und Ohr werden durch die sonderbarsten Täuschungen gereizt. Alles ist kalt und fremdartig wie in einer verwunschenen Welt.”