“Doch das sei abermals betont: angestoßen, politisch zu werden, hat mich nicht Willy Brandt, sondern der allerchristlichste Kanzler. Er, der sich aus Nächstenliebe den Kommentator der Rassengesetze, Hans Globke, als Staatssekretär hielt, er, dem das christliche Abendland nur bis zur Elbe reichte, er verdächtigte den Emigranten Brandt „alias Frahm“ unterschwellig des Landesverrats. Sein Christentum katholischer Machart gab ihm ein, uneheliche Herkunft als Makel anzuprangern. Konrad Adenauer war jedes Mittel recht, weshalb er immer noch als Staatsmann gilt.”
“In die Natur hineingehen und in dieser Natur ein- und ausatmen und in dieser Natur nichts als tatsächlich und für immer Zuhause zu sein, das empfände er als das höchste Glück. In den Wald gehen, tief in den Wald hinein, sagte der Burgschauspieler, sich gänzlich dem Wald überlassen, das ist es immer gewesen, der Gedanke, nichts anderes, als selbst Natur zu sein.”
“Oh, wär mein junges Leben doch ein Traum. Und würd doch mein Geist nicht wach, bis das der Strahl der Ewigkeit den Morgen brächte. Obwohl der Traum von schlimmen Kummer war, er war doch besser als die wirklichkeit des wachen Lebens für den, dessen herz gleich von Geburt an auf der Erde sein muss - Ein Chaos aus der tiefsten Leidenschaft.”
“Trotzdem konnte er sich nicht vorstellen, sein Leben damit zu verbringen, Grenzpfähle in die Erde zu treiben, Zäune zu errichten, das Land aufzuteilen. Er sah sich nicht als etwas Schweres, das Spuren hinterließ, sondern allenfalls als einen winzigen Fleck auf der Oberfläche der Erde, die zu fest schlief, um das Kratzen eines Ameisenfußes, das Raspeln von Schmetterlingszähnen, das Taumeln von Staub zu bemerken.”
“Ich spüre das Unwissen immer wieder als eine Not; und daraus entsteht dann der ziellose Wissensdrang, aus dem keine Idee wird, weil er eben keinen 'Gegenstand' hat, mit dem er 'übereinstimmen' könnte. - Aber dann gibt vielleicht ein einzelnes Ding etwas zu verstehen und setzt so den 'Geist des Anfangs'; und es kann ernst werden mit dem Studieren, das doch bei aller sonstigen Beschäftigung eine Sehnsucht geblieben war."Peter Handke: Die Lehre der Sainte-Victoire. Frankfurt am Main 1984, S. 28.”
“Als ein Schriftgelehrter Jesus einmal fragte, […]was nach seiner Meinung das grüßte Gebot im Gesetz sei, sagte er, es sei die Liebe zu Gott. Das zweite Gebot, man solle seinen Nächsten genauso lieben wie sich selbst, sei jedoch dem ersten gleich. Offenbar ging er davon aus, dass jeder sich selbst liebt; Menschenkenntnis war nicht gerade seine Stärke. In dieser Hinsicht mußte man erst noch auf den Juden aus Wien warten. Wer sich selbst nicht liebte oder gar hasste, durfte also dem zweiten ‚Wort’ zufolge auch seine Mitmenschen hassen, man durfte morden, wenn man dann auch Selbstmord verübte wie Judas oder Hitler. Von der Hölle hatte Jesus offenbar keine Ahnung, aber das war eigentlich klar: schließlich war er ein Wesen, das Gott liebte wie sich selbst. Aber der Kern seiner Antwort lag im Ist-Gleich-Zeichen, das er zwischen die fünf Gebote auf der einen und die fünf auf der anderen Tafel setzte; eines Tages formulierte er sogar eine positive Version der Goldenen Regel: ‚Was Du willst, das man dir tu, das füge auch dem andern zu, denn das ist das Gesetz und die Propheten.”