“Die Sache mit dem Sündenbock funktionierte wirklich, als noch religiöse Kraft dahinterstand. Man lud dem Ziegenbock die Sünden der Stadt auf und trieb ihn hinaus, und die Stadt war gereinigt. Es funktionierte, weil alle, einschließlich der Götter, wussten, wie das Ritual zu verstehen war. Dann starben die Götter, und plötzlich musste man die Stadt ohne göttliche Hilfe reinigen. Statt Symbolen waren richtige Taten gefragt. Der Zensor war geboren, im römischen Sinn. Wachsamkeit hieß die Parole: Die Wachsamkeit aller allen gegenüber. Reinigung wurde ersetzt durch Säuberungsaktionen.”

J. M. Coetzee a

J. M. Coetzee a - “Die Sache mit dem Sündenbock...” 1

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“Als die Erde erschaffen wurde, da waren es die Katzen, die als die ersten Lebewesen das Paradies bevölkerten. Und als die Nacht gemalt worden war und die Sterne in grellen Blitzen geboren wurden da verfolgten die Katzen das Schauspiel, und das Licht, das sie sahen, brannte sich auf ewig in ihre Augen. Deshalb können die Katzen im Dunkeln sehen, und deshalb leuchten ihre Augen wie Edelsteine in der Schwärze der Nacht. Es ist das Licht der ersten Sterne, das noch immer in ihnen gefangen ist.”

Christoph Marzi
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“„Weitaus am liebsten aber wäre ich Zauberer geworden. Dies war die tiefste innigste gefühlte Richtung meiner Triebe, eine gewisse Unzufriedenheit mit dem, was man die Wirklichkeit nannte und was mir zuzeiten lediglich wie eine alberne Vereinbarung der Erwachsenen erschien; eine gewisse bald spöttische Ablehnung dieser Wirklichkeit war mir früh geläufig, und der brennende Wunsch sie zu verzaubern, zu verwandeln, zu steigern.”

Hermann Hesse
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“Es ist ein Hin- und Hergerissensein zwischen Verheimlichung und Offenherzigkeit, zwischen dem Wunsch, die Wahrheit zu sagen, und dem Unvermögen, es auch in den intimsten Situationen zu tun; es ist die Erkenntnis, dass das Wesen der Liebe Wissen ist und das Ringen mit der Angst, mit der so großen Angst, sich eine Blöße zu geben. Wer schreibt, greift mit dem Stift nach der Macht, weil die Ohnmacht so unerträglich groß ist. Wer schreibt, hört für eine Weile auf, sich selbst Gewalt anzutun, zu leugnen, zu lügen, zu verschleiern und sich zu verstellen, hört mit all dem auf, wozu er sich gezwungen sieht, sobald die Angst zuschlägt was ein anderer mit ihm machen könnte. (Seite 38 / 39)”

Connie Palmen
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“Alles ist so vergeblich wie ein Herumstochern in Asche und so vage wie der Augenblick, bevor der Morgen graut. Und das Licht fällt so vollkommen und heiter auf die Dinge, vergoldet sie so prächtig mit traurig lächelnder Wirklichkeit! Das ganze Mysterium der Welt kommt herab zu mir, bis es vor meinen Augen Banalität und Straße wird. Wie sich doch Alltag und Geheimnis berühren in unserer unmittelbaren Nähe! Hier, an der lichten Oberfläche dieses vielschichtigen menschlichen Lebens, lächelt die Zeit ungewiss auf den Lippen des Mysteriums! Wie modern dies alles klingt! Und im Grunde so alt, so geheimnisvoll, mit einem so anderen Sinn behaftet als dem, der in all dem leuchtet!”

Fernando Pessoa
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“das man die wahre Natur der Sinne nie verstanden hatte und dass sie wild und tierisch geblieben waren, nur weil die Welt versucht hatte, sie durch Aushungern zu bändigen und durch schmerzhaften Verzicht abzutöten, statt danach zu trachten, sie zu Elementen einer neuen Geistigkeit zu verwandeln, deren bezeichnendes Merkmal ein empfindsamer Sinn für die Schönheit sein sollte.”

Oscar Wilde
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