“In der Folge entspinnt sich die merkwürdige Beziehung des Bibliomanen zu seinen Abertausenden von Büchern. Dies ist dieselbe Beziehung, wie der Gärtner sie zu einer wuchernden Kletterpflanze hat: Die Pflanze entwickelt sich von selbst, für das bloße Auge zunächst unsichtbar, aber doch mit einer Energie, deren Ergebnis nach wenigen Wochen deutlich sichtbar ist; dem Menschen bleibt, so er sie nicht zurechtstutzen will, nur die Möglichkeit, sie in die eine oder andere Richtung zu lenken, in die sie seiner Ansicht nach wachsen sollte. Auf diese Weise vermehren sich auch kräftig treibende Bibliotheken, aus sich heraus, wie lebende Wesen. („Wer sich eine Bibliothek aufbaut, der baut sich ein ganzes Leben auf. Sie ist nämlich nie die Summe ihrer einzelnen Exemplare.“) Wir haben die Themen vorgegeben, die Leittriebe, entlang deren sie sich entwickeln, ansonsten aber bleiben wir Beobachter und sehen zu, wie sie zuerst alle Wände eines Zimmers überzieht, bis zur Decke hinaufklettert, ein anderes Zimmer annektiert, dann ein weiteres und so fort, bis sie alles verdrängt hat, was ihr im Wege war. Sie verscheucht alle Bilder, die etwa noch an den Wänden hingen, jeden anderen Einrichtungsgegenstand, der ihrer Konsultation im Wege steht. Sie verschiebt ihr Gefüge mitsamt ihren unentbehrlichen, raumgreifenden Adjutanten wie Tritthockern oder Stehleitern. Sie zwingt uns zu ständigem Umräumen, da ihre Entwicklung nie eindimensional verläuft und stets neue Unterabteilungen verlangt. Auf diese Weise wird sie gleichzeitig und unleugbar zur Widerspiegelung, zum Doppelgänger ihres Besitzers. Für den, der ihre subtilen Baupläne zu lesen versteht, entsteht aus den Regalen ein Charakterbild ihres Bibliothekars. Im Übrigen ähnelt keine ernstzunehmende Bibliothek einer anderen, keine besitzt je dieselbe Persönlichkeit.”