“Nur Momo konnte so lange warten und verstand was er sagte. Sie wußte, daß er sich so viel Zeit nahm, um niemals etwas Unwahres zu sagen. Denn nach seiner Meinung kam alles Unglück der Welt von den vielen Lügen, den absichtlichen, aber auch den unabsichtlichen, die nur aus Eile oder Ungenauigkeit entstehen.”
“Er dachte einige Zeit nach. Dann sprach er weiter: "Man darf nie an die ganze Straße auf einmal denken, verstehst du? Man muß nur an den nächsten Schritt denken, an den nächsten Atemzug, an den nächsten Besenstrich. Und immer wieder nur an den nächsten." Wieder hielt er inne und überlegte, ehe er hinzufügte: "Dann macht es Freude; das ist wichtig, dann macht man seine Sache gut. Und so soll es sein.”
“Wer niemals ganze Nachmittage lang mit glühenden Ohren und verstrubbeltem Haar über einem Buch saß und las und las und die Welt um sich her vergaß, nicht mehr merkte, daß er hungrig wurde oder fror -Wer niemals heimlich beim Schein einer Taschenlampe unter der Bettdecke gelesen hat, weil Vater oder Mutter oder sonst irgendeine besorgte Person einem das Licht ausknipste mit der gutgemeinten Begründung, man müsse jetzt schlafen, da man doch morgen so früh aus den Federn sollte -Wer niemals offen oder im geheimen bitterliche Tränen vergossen hat, weil eine wunderbare Geschichte zu Ende ging und man Abschied nehmen mußte von den Gestalten, mit denen man gemeinsam so viele Abenteuer erlebt hatte, die man liebte und bewunderte, um die man gebangt und für die man gehofft hatte, und ohne deren Gesellschaft einem das Leben leer und sinnlos schien -Wer nichts von alledem aus eigener Erfahrung kennt, nun, der wird wahrscheinlich nicht begreifen können, was Bastian jetzt tat.”
“Es gibt viele Arten von Einsamkeit, aber Momo erlebte eine, die wohl nur wenige Menschen kennengelernt haben, und die wenigsten mit solcher Gewalt.”
“Der Träumer braucht nur den Mond, um sich zurechtzufinden, und zur Strafe sieht er den Morgen schon vor dem Rest der Welt.”
“Ja, hier erzählt man sich die Geschichte von der unbeugsamen siebenten Welle. Die ersten sechs sind berechenbar und ausgewogen. Sie bedingen einander, bauen aufeinander auf, bringen keine Überraschungen. Sie halten die Kontinuität. Sechs Anläufe, so unterschiedlich sie aus der Ferne betrachtet auch wirken, sechs Anläufe – und immer das gleiche Ziel. Aber Achtung vor der siebenten Welle! Sie ist unberechenbar. Lange Zeit ist sie unauffällig, spielt im monotonen Ablauf mit, passt sich an ihre Vorgängerinnen an. Aber manchmal bricht sie aus. Immer nur sie, immer nur die siebente Welle. Denn sie ist unbekümmert, arglos, rebellisch, wischt über alles hinweg, formt alles neu. Für sie gibt es kein Vorher, nur ein Jetzt. Und danach ist alles anders. Ob besser oder schlechter? Das können nur jene beurteilen, die von ihr erfasst worden sind, die den Mut gehabt haben, sich ihr zu stellen, sich in ihren Bann ziehen zu lassen.”
“Der chronisch Verbitterte bemerkte seine Krankheit nur einmal in der Woche: am Sonntagnachmittag. Dann, wenn weder seine Arbeit noch die Routine ihm halfen, die Symptome zu lindern, bemerkte er, daß irgend etwas nicht stimmte. Denn der Frieden dieser Nachmittage war die reinste Hölle, die Zeit verging nicht, und er war ständig gereizt.Doch dann wurde es wieder Montag, und der Verbitterte vergaß seine Symptome, auch wenn er schimpfte, daß er niemals Zeit hätte, sich auszuruhen, und sich darüber beklagte, daß die Wochenenden immer so schnell vergingen.”