“Ich gehe rüber zur Tauentzienstraße, ein Pappschild unter dem Arm, das ich am Europacenter anschlage wie einst Luther seine Thesen in Wittenberg. Dort stehe ich, und kann nicht anders. Ein paar Leute bleiben stehen und sehen sich an, was das auf dem Pappschild steht. "Das Romanische Café" steht da, "ist die Stätte der höchsten intellektuellen Verfeinerung und der tiefsten sozialen Ignoranz; die Stätte anekdotische Selbstbefriedigung, wo Aphorismen aufeinander Jagd machen, kopulieren und kleine Witze in die Welt setzen. Das Romanische Café ist die Stätte, wo jedes normale Wort in den Verdacht gerät, dem Unterbewusstsein einer Amöbe entsprungen zu sein; die Stätte, wo Friedrich Gundelfinger den Finger verlor und daher nicht auf den jungen Journalisten namens Joseph Goebbels deuten konnte, der mit bösem Lächeln und einem kleinen Notizblock auf den Knien zu Füßen des zelebrierten und entfingerten Gundolf saß. Das Romanische Café ist die Stätte, wo Pegasus mit Aperçus gefüttert wurde, bis er nicht mehr krauchen konnte…"Ein Herr mit Pfeife bleibt eine Weile vor dem Pappschild stehen."Das mit Goebbels ist mir neu". Sagt er und bläst mir Pfeifenrauch ins Gesicht.”

Peter Fürst

Peter Fürst - “Ich gehe rüber zur Tauentzienstraße, ein...” 1

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“Ein Junge und ein Mädchen liegen auf dem Boden, vor sich die Dachschräge. Sie konzentriert sich auf den Jungen, der aus dieser Entfernung so aussieht, als wäre er in ihrem Alter. Und selbst aus dieser Entfernung kann sie erkennen, dass das Buch, aus dem er ihr vorliest, "Das Buch der Begebenheiten" ist.Der Junge schläft ein, und das Mädchen legt den Kopf auf seine Brust. Brod will mehr hören - sie will schreien: LIES MIR WEITER VOR! ICH MUSS ES WISSEN! -, aber sie können sie von dort, wo sie ist, nicht hören, und von dort, wo sie ist, kann sie die Seite nicht umblättern. Die Seite - Brods papierdünne Zukunft - ist, von dort, wo Brod ist, unendlich schwer.”

Jonathan Safran Foer
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“Es ist ein Hin- und Hergerissensein zwischen Verheimlichung und Offenherzigkeit, zwischen dem Wunsch, die Wahrheit zu sagen, und dem Unvermögen, es auch in den intimsten Situationen zu tun; es ist die Erkenntnis, dass das Wesen der Liebe Wissen ist und das Ringen mit der Angst, mit der so großen Angst, sich eine Blöße zu geben. Wer schreibt, greift mit dem Stift nach der Macht, weil die Ohnmacht so unerträglich groß ist. Wer schreibt, hört für eine Weile auf, sich selbst Gewalt anzutun, zu leugnen, zu lügen, zu verschleiern und sich zu verstellen, hört mit all dem auf, wozu er sich gezwungen sieht, sobald die Angst zuschlägt was ein anderer mit ihm machen könnte. (Seite 38 / 39)”

Connie Palmen
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“Irgendwann mal würde ich gern mit ein paar Freunden auf einer kleinen Insel leben, sie müßte ja nicht zu den Bahamas gehören. Vielleicht eine Bar betreiben, nichts Mondänes, ein kühles Plätzchen am Hafen, durchs Fenster kann man die Boote sehen. Vielleicht ein paar Stühle draußen unter der Markise, für die Touristen. Ein Tagesgericht, sonst nur Sandwiches und Drinks, aber die besten der Gegend. Man könnte fischen gehen, ab und zu auf die Nachbarinsel, wo es ein Spielkasino gibt. Jeder macht in aller Ruhe das, was er will. Einmal in der Woche ginge ich mit dem Vizekonsul und dem englischen Romanschriftsteller und dem Schnapsschmuggler ins Bordell, der Geschichten wegen. Ich weiß, du magst keine Geschichten, aber vielleicht brauchst du keine. Erinnerungen sind ja Scheiße, aber Geschichten halten das Leben zusammen. Manchmal, wenn du den großen Horror hast, ist eine gute Geschichte das einzige, was noch hilft.”

Jörg Fauser
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“Der Glaube an Gott ist ein Sichöffnen, ein Loslassen, ein tiefes Vertrauen, eine bedingungslose Liebe – aber manchmal war es so schwer zu lieben. Manchmal sank mein Herz vor Wut, Verzagtheit und Erschöpfung so tief, dass ich befürchtete, es würde bis ganz hinab auf den Grund des Pazifiks sinken und ich würde es nie wieder heraufziehen können. In solchen Augenblicken versuchte ich mir Mut zu machen. Ich fasste mir an den Turban, den ich mir aus den Überresten meines Hemds gewunden hatte und rief: „DAS IST GOTTES HUT!“Ich fuhr mir über meine Hosen und rief: „DAS SIND GOTTES KLEIDER!“Ich wies auf Richard Parker und rief: „DAS IST GOTTES KATZE!“Ich wies auf das Rettungsboot und rief: „DAS IST GOTTES ARCHE!“Ich breitete meine Arme weit und rief: „DAS SIND DIE GÖTTLICHEN GEFILDE!“Ich hob den Finger zum Himmel und rief: „DAS IST GOTTES OHR!“Auf diese Weise rief ich mir ins Gedächtnis, was die Schöpfung war und wo ich meinen Platz darin hatte.”

Yann Martel
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“Durch die Gitterfenster seiner Individualität starrt der Mensch hoffnungslos auf die Ringmauern der äußeren Umstände, bis der Tod kommt und ihn zu Heimkehr und Freiheit ruft …Individualität!… Ach, was man ist, kann und hat, scheint arm, grau, unzulänglich und langweilig; was man aber nicht ist, nicht kann und nicht hat, das eben ist es, worauf man mit jenem sehnsüchtigen Neide blickt, der zur Liebe wird, weil er sich fürchtet, zum Haß zu werden.Ich trage den Keim, den Ansatz, die Möglichkeit zu allen Befähigungen und Betätigungen der Welt in mir … Wo könnte ich sein, wenn ich nicht hier wäre! Wer, was, wie könnte ich sein, wenn ich nicht ich wäre, wenn diese meine persönliche Erscheinung mich nicht abschlösse und mein Bewußtsein von dem aller derer trennte, die nicht ich sind! Organismus! Blinde, unbedachte, bedauerliche Eruption des drängenden Willens! Besser, wahrhaftig, dieser Wille webt frei in raum- und zeitloser Nacht, als daß er in einem Kerker schmachtet, der von dem zitternden und wankenden Flämmchen des Intellektes notdürftig erhellt wird!”

Thomas Mann
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