“Gehässige Hisoriker behaupten über Österreich: Bei den zahlreichen Völkerwanderungen über die Alpen seien stets die Schwachen, Fußlahmen und Orientierungslosen an den Hängen geblieben und bildeten die genetische Ursuppe für ein Land, von dem auch heute noch eine gepflegte Unangestrengtheit ausgeht.”
“Für den Dichter ist die Perle eine Träne des Meeres; für die Orientalen ein fest gewordener Tautropfen; für die Frauen ein längliches Kleinod von durchsichtigem Glanz und Perlmutterstoff, welches sie am Finger, Hals oder Ohr tragen; für den Chemiker eine Mischung von phosphorsaurem und kohlensaurem Salz mit ein wenig Leim, und endlich für den Naturkundigen nur eine krankhafte Ausscheidung des Organes, welches bei einigen zweischaligen Muscheln die Perlmutter erzeugt.”
“Wenn jemand eine Weide schöner findet als eine Buche, ein Schwein hässlicher als eine Kuh, einen Geier bösartiger als ein Eichhörnchen, dann hat das mit uns Menschen zu tun, mit der Geschichte des Blicks, mit den Büchern, Gemälden, Filmen, mit den Worten und den Bildern, mit den Behauptungen, die der Mensch über die Natur aufgestellt hat, und damit, wie er die Natur abgebildet hat, früher und heute.”
“Dresden war eine wunderbare Stadt, voller Kunst und Geschichte und trotzdem kein von sechshundertfünfzigtausend Dresdnern zufällig bewohntes Museum. Die Vergangenheit und die Gegenwart lebten miteinander im Einklang. Eigentlich müßte es heißen: im Zweiklang. Und mit der Landschaft zusammen, mit der Elbe, den Brücken, den Hügelhängen, den Wäldern und mit den Gebirgen am Horizont, ergab sich sogar ein Dreiklang. Geschichte, Kunst und Natur schwebten über Stadt und Tal, vorn Meißner Dom bis zum Großsedlitzer Schloßpark, wie ein von seiner eignen Harmonie bezauberter Akkord.”
“Die Liebe einer Mutter zu ihren Kindern ist beherrschend, löwinnenhaft, selbstsüchtig und zugleich selbstlos […]. Die Liebe eines Vaters zu seinem Sohn oder seiner Tochter ist, wenn es sich überhaupt um Liebe handelt, ein weitherziges, großzügiges, schwermütiges und nachdenkliches Schenken ohne Hoffnung auf Erwiderung, ein Abschiedsgruß an einen geplagten Wanderer, den er gern beschützen möchte, ein richtig abgewogenes Urteil über Stärke und Schwäche, voll Mitleid für den Misserfolg und voll Stolz auf Erfolg.”
“Im Gegensatz zum Tier kann ich mich über die Zwänge der Natur erheben. Ich kann Sex haben, ohne mich vermehren zu wollen. Ich kann Substanzen konsumieren, die mich für eine Weile von der sklavischen Ankettung an den Körper erlösen. Ich kann den Überlebenstrieb ignorieren und mich in Gefahr bringen, allein um den Reiz der Herausforderung willen. Dem wahren Menschen genügt das Dasein nicht, wenn es ein bloßes Hier-Sein meint. Der Mensch muss sein Dasein erfahren. Im Schmerz. Im Rausch. Im Scheitern. Im Höhenflug. Im Gefühl der vollständigen Machtfülle über die eigene Existenz. Über das eigene Leben und den eigenen Tod. Das, meine arme, vertrocknete Mia Holl, ist Liebe.”