“Der Nazismus wurde von Millionen als Evangelium hingenommen, weil er sich der Sprache des Evangeliums bediente. Wurde? - Ich habe das "Ich glaube an ihn" nur bis in die letzten Tage des Hitlerreiches verfolgt. Ich habe jetzt Tag für Tag mit Rehabilitierten zu tun und solchen, die rehabilitiert sein wollen. Diesen Leute, so verschieden sie auch sonst untereinander sein mögen, ist eines gemeinsam: Sie behaupten alle, eine Sondergruppe der "Opfer des Faschismus" zu bilden, sie sind alle gegen ihre Überzeugung durch irgendwelche Gewaltanwendung zum Eintritt in die ihnen von jeher verhaßte gezwungen worden, sie haben nie an den Führer, nie an das Dritte Reich geglaubt.”
“Siebenunddreißig Jahre habe ich daran gearbeitet, genau das zu vermeiden. Systematisch habe ich das einzige in dieser Welt geübt, das lernenswert ist. Verzichten. Ich habe aufgehört, auf irgend etwas zu hoffen. Wenn praktizierte Demut zur olympischen Disziplin erklärt wird, komme ich in die Nationalmannschaft.Ich habe nie Nachsicht mit dem Liebeskummer anderer Leute gehabt. Ich hasse ihre Schwäche. Ich sehe, wie sie jemanden finden, am Ende des Regenbogens. Ich sehe, wie sie Kinder kriegen und einen Silver-Cross-Royal-Blue-Kinderwagen kaufen, in der Frühjahrssonne auf dem Stadtwall spazierengehen, mich herablassend anlachen und denken, arme Smilla, sie weiß nicht, was ihr entgeht, sie weiß nicht, wie das Leben für uns ist, wie das ist, wenn man ein Baby und ein verbrieftes Recht aufeinander hat.Vier Monate später gemütliches Beisammensein in der alten Geburtsvorbereitungsgruppe. Ferdinand hat einen kleinen Rückfall, legt auf einen Spiegel ein paar Bahnen aus, sie findet ihn draußen auf der Toilette, wo er mit einer der anderen frohen Mütter rammelt, und in einer Nanosekunde ist sie von der großen, stolzen, souveränen, unverletzlichen Mama auf einen geistigen Gnom reduziert. Mit einer einzigen Bewegung fällt sie auf mein Niveau und darunter und wird zu einem Insekt, einem Regenwurm, einem Skolopender.Und dann werde ich hervorgeholt und abgestaubt, dann darf ich mir anhören, wie schwer es ist, nach der Scheidung alleinstehende Mutter zu sein, wie sie sich in die Haare geraten sind, als sie die Stereoanlage teilen wollten, wie ihre Jugend von dem Kind aufgesogen wird, das jetzt eine Maschine ist, die sie auffrißt und nicht wieder zurückgibt.Das habe ich mir nie anhören wollen. Was zum Teufel habt ihr euch eigentlich vorgestellt, habe ich gesagt. Glaubt ihr vielleicht, ich redigiere einen Kummerkasten für Frauen? Glaubt ihr, ich bin ein Tagebuch? Die Telefonseelsorge?Eines ist auf Schlittenreisen streng verboten, und das ist Winseln. Jammern ist ein Virus, eine tödliche, infektiöse, epidemische Krankheit. Ich will das nicht hören. Ich will mich von diesen Orgien emotionaler Kleinlichkeit nicht belämmern lassen.”
“Ich war noch nicht ein bißchen abgestumpft, ich war noch so ganz gewohnt, in einem Rechtsstaat zu leben, daß ich damals vieles für die tiefste Hölle hielt, was ich später höchstens für ihren Vorhof, für den Danteschen Limbo nahm. Immerhin: soviel schlimmer es auch kommen sollte, alles, was sich noch später an Gesinnung, an Tat und Sprache des Nazismus hinzufand, das zeichnet sich in seinen Ansätzen schon in diesen ersten Monaten ab.”
“Es waren ausschließlich Männer, diese zwanghaften Buchkäufer und Sammler, die erfüllt waren von der neurotischen Überzeugung, wenn sie es nur einen Tag versäumten, hierherzukommen, könne damit auch ein Buch verloren sein oder zumindest in den Händen eines anderen Käufers landen. Was für ein Leben führten sie? Das Arcade war für sie das erste Ziel des Tages , wo sie rasch vorbeischauten, um einen Blick auf die Neuzugänge zu werfen, die am Fuße von Pikes Plattform aufgestapelt lagen; eine obligatorische, tägliche Suche nach verborgenen Schätzen. Raffgier trieb sie an und Missgunst - die beiden Ingredenzien einer jeden Passion, wie ich vermutete.”
“Für die Leute, die einen zum ersten Mal besuchen, eine imposante Bibliothek entdecken und nichts Besseres zu sagen wissen als: "Haben Sie das alles gelesen?“, kenne ich mehrere Antworten. Einer meiner Freunde sagt; „Mehr, Monsieur, mehr."Ich für mein Teil habe zwei Antworten. Die erste ist: "Nein. Das sind nur die Bücher, die ich nächste Woche lesen muss. Die, die ich schon gelesen habe, sind in der Universität." Die zweite Antwort lautet: "Ich hab keins dieser Bücher gelesen. Warum würde ich sie sonst hier aufbewahren?”
“Ich lese viel, habe es schon als Teenager geliebt. Und ich liebe es, über Leser zu schreiben. Menschen, die lesen, haben eine so reiche Beziehung zur Welt. Sie betrachten das Leben nicht nur durch ihre eigenen Augen, sondern auch durch die Augen all derer, über die sie gelesen haben.”
“Antisemitismus ist vom Anfang bis zum Ende das wirksamste Propagandamittel der Partei, ist die wirksamste und populärste Konkretisierung der Rassendoktrin, ja ist für die deutsche Masse mit der Rassenlehre identisch. Denn was weiß die deutsche Masse von den Gefahren der "Verniggerung", und wie weit reicht ihre persönliche Kenntnis von der behaupteten Minderwertigkeit der Ost- und Südostvölker? Aber einen Juden kennt jeder. Antisemitismus und Rassendoktrin sind für die deutsche Masse Synonyma.”