“Ich berichte hier von illusorischen Bibliothek totgeborener, totgeschwiegener oder scheintoter Bücher, die im Keimen oder Erscheinen begriffen waren zu der Zeit, als ich anfing ins Caféhaus zu gehen. Ich berichte von dem Schrifttum eines untergegangenen Kulturreiches.”

Walter Mehring

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“Bibliotheken sind die wahren Friedhöfe der Ideen..Diese Bibliothekare, im Mimikrygrau des Bücherstaubes, haben – wie sie da Folianten ans Zwielicht zerren und wieder einsargen – in Griff und Blick die geschäftige Pietätlosigkeit von Beerdigungsfachleuten…Und diese Schmökerer, deren Lippen wie im Wahn des Zwiegespräches mit sich selbst vibrieren und deren Blicke ins Ziellose abgleiten, gleichen Leidtragenden an der Gruft eines teuren Angehörigen…Es ist die gleiche Gier, die gleiche Furcht, irgendein Zeichen jenseitiger Schrecken zu erwischen; denn die hierher kommen, um im Vergangenem zu stöbern wissen, dass an solchem Ort auch dereinst ihr eigenes Mühen, Denken, Spintisieren die letzte, Ewige Ruhe finden wird…”


“Das pädagogische Bedenken: „Darf man Kinder mit dem Hokuspokus afrikanischer Zauberer und böser Feen unterhalten?“ kommt ungefähr der Frage gleich, ob man den Eskimos ihre Amulette und Zauberpriester weiterhin gestatten soll.Literarisch ließe sich gegen Märchen wie „La Belle au Bois Dormant“, „Le Petit Cahperon Rouge“, „Le Chat Botté“, „Riquet à la Houppé» eigentlich nichts einwenden; waren sie doch von einem Charles Perrault (de l’Academie Francaise) und seiner Geliebten, einer Comtesse d’Aulnay […] in die Aristokratensalons des Louis Quatorze eingeführt worden und hatten sich so manierlich, so chevaleresk aufgeführt, dass sie überall als geistige Sprösslinge ihrer durchaus hoffähigen Editoren empfunden wurden.Ihr plebejischer, ja asiatischer, ja negroider Ursprung wurde erst im XIX. Jahrhundert aufgedeckt, als in Deutschland und Rußland Sprachforscher ihren Stammbäumen nachgingen: als die Rechtsgelehrten Brüder Grimm ihre Erzählungen unverblümt dem Volksmund nachschrieben, um sie „in letzter Minute für die armen und einfachen Leute zu retten, denen man sie vorenthielt…“Aber was da zum Vorschein kam, wuchs den Philologen über den Kopf, wie das so oft im Eifer der Wissenschaften vorkommt. Bei ihrem Vorhaben, im reinsten Interesse der Germanistik heimische Sagenschätze schlichter Bauern und ehrbarer Ammen freizulegen, waren sie auf Aushöhlungen gestoßen, aus denen ihnen geile Succuben entgegenflatterten, giftiges Schlangen- und Basiliskengezücht entgegenkroch, der Blutgeruch shakesperarischer Hexenkessel in die Nase stieg.Auch hatten sie damit, ohne es zu wollen, einer überall gärenden permanenten Verschwörung Vorschub geleistet – nämlich einer der Kinder aller Rassen, aller Zeitläufte, die heimtückisch, mit dem Revanchegelüst zu kurz gekommener Zwerge das abstruse Riesenreich der Erwachsenen unterwühlen.”


“Man kann Lesen so gesundheitsschädlich verfallen wie jedem anderen Rauschmittel, besonders als Europäer, der ja durch lange erbliche Belastung im gleichen Prozentsatz alkohol- wie büchersüchtig ist. Man greift zum Buche wie zum Glas, um sich über die deprimierende Nüchternheit der Zeitungssensationen hinwegzutrinken, um den widerlichen Nachgeschmack der Medizinen, die man uns in den Spitälern der Zwangs-Heilversuche eingibt, herunter zu spülen. Und nichts hilft so wie ein süffiges Getränk, - wie Genuß von abgelagerten Pathos, vorzüglich in Versen konzentriert, um sich gleich edler und erhabener zu fühlen. Doch hält man sich nicht lange an die guten, erlesenen Jahrgänge. Und beim Lesen wie beim Trinken steigert man allzu rasch den Spiritusgehalt; man sucht nach Selbstbekräftigung und zugleich nach genereller Absolution. Abnorme Gelüste, wie einer krankhaften Veranlagung geschämt hatte, findet man bei erhabensten Genies im Schaffensrausche ausplaudert.”


“Der Bibliomane", fuhr er fort, "verkörpert in Buchhaim eine der am liebsten gesehenen Kategorien des Biblionismus. Er ist von dem Wunsch beseelt, möglichst viele Bücher zu erwerben und mit nach Hause zu nehmen. Ein durchschnittlicher Büchersammler also. Sofern er dies im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften tut und die Bücher nicht klaut, ist der Bibliomane der willkommenste Gast der Stadt - wir alle leben von ihm. Die Gruppe der Bibliomanen ist eine sehr große.”


“Mir schien, der Franz, den ich im Herzen trage, dem ich jeden Gedanke sage... der sei ein andrer, als jener, der jetzt von seinem Rekruiten erzählt und mit Kerrl über Dinge lacht, die mir unsaglich uninteressant erscheinen.”


“Soll ich, weil's Brauch ist, ein Stück Eisen stecken in das nächste Fleisch oder ins übernächste, mich dran zu halten, weil die Welt sich dreht? Herr, brich mir das Genick im Sturz von einer Bierbank.”